Solidarität mit trans*, inter*, nicht-binären und agender Menschen
Dass wir die Einladung von Koschka Linkerhand von der „NDRS-Orga“ und dem
„Fem.Wir“ kritisieren und ablehnen, macht in Kassel ja aktuell die
Runde. Wir wurden häufiger gefragt, woran wir fest machen, dass Koschka
Linkerhand rassistisch und transfeindlich ist. Deshalb anbei unsere
Mailbegründung an das ndrs:
Betreff: Cissexismus und Rassismus und safer space
Liebes NDRS-Team,
wir sind noch immer nicht davon überzeugt, dass die Veranstaltung von
Koschka Linkerhand stattfinden sollte.
Eine nachgestellte Diskussion, in der der Vortrag diskutiert werden
kann, würde uns zwar einen Raum bieten, unsere Meinungen einzubringen,
jedoch ist anzuzweifeln, dass dieser Raum für uns sicher wäre.
Dies liegt besonders daran, dass es einen Vortrag von einer cis Frau,
die oft cissexistisch argumentiert, geben wird, bei dem sie die
Gelegenheit hat, weiter ihre cissexistische Ideologie zu verbreiten.
Dagegen enthält das Programm keine Verantstaltung, die spezifisch
Queerfeministisch ausgerichtet ist. Es wird also nur einer
feministischen Strömung eine Bühne geboten, was automatisch ein
Ungleichgewicht in die Diskussion über das „feministische Wir“ bringt.
Darüber hinaus handelt es sich bei trans-exklusiven
Radikalfeminist*innen ja nicht um eine harmlose Strömung, der trans*
Personen einfach so gegenübertreten können. Diese Ideologie, die auch
als „Gender Critical“ bezeichnet wird, hat reale Konsequenzen und
argumentiert auf gefährliche Weise dafür, die Rechte von trans* Personen
einzuschränken.
Im folgenden Artikel (geschrieben von einer nichtbinären britischen
Person) wird erklärt, wie massiv sich transfeindlicher Radikalfeminismus
in der UK ausgebreitet hat, und wie er an Einfluss gewinnt:
https://xtramagazine.com/power/transphobia-britain-terf-uk-media-193828
Die britischen Radikalfeminist*innen schlagen ihre Wellen auch über
Großbritannien hinaus: auch in Deutschland gibt es mittlerweile die
Gruppe „LGB Alliance“, die in dem Artikel erwähnt wird.
Vor Kurzem haben auch in Deutschland schon TERFs Einfluss auf die
Politik genommen: vor der letzten Abstimmung zum Selbstbestimmungsgesetz
startete eine Politikerin der Grünen einen Aufruf, das
Selbstbestimmungsgesetz zu verhindern, in welchem sie ähnliche Argumente
wie die britischen TERFs verwendete.
Diese cissexistischen Bewegungen und die damit einhergehende Gefahr für
trans Menschen gilt es Abzuschwächen, indem ihnen keine Plattformen
geboten werden – und das wäre der Fall, wenn Koschka Linkerhand ihren
Vortrag halten dürfte.
In ihrem Beitrag im in den vorherigen Mails erwähnten Buch „Beißreflexe“
unterstellt Koschka Linkerhand der queerfeministischen Bewegung,
Identitäten zu „fetischisieren“ und Frauen auszuschließen: „Das Resultat
ist eine stille Frauenfeindlichkeit, die die
queerfeministische Bewegung als ein masochistisches Element durchzieht
und in deren Kielwasser auch eine selbstbewusste, frauenzentrierte
Lesbenpolitik zusehends untergeht: als schämten sich Feministinnen, dass
ihre Vorgängerinnen so frauenuntypisch viel Platz eingenommen haben,
obwohl es ihnen so schlecht doch gar nicht ging. Der Unterstrich als
queere
Weiterentwicklung des Binnen-I betont nicht mehr die weiblichen
grammatischen Formen, sondern schafft Geschlechtsneutralität, die für
sich
genommen im ungerührt weiter bestehenden Patriarchat keine andere
Wirkung hat als die traditionelle Geschlechtsblindheit des generischen
Maskulinums. In einigen Kreisen wurde das antipatriarchale Kürzel FLTI*,
das etwa Duschen und Tanzflächen exklusiv für Frauen, Lesben, Trans- und
Intersexuelle ausweist, neugeordnet in TILF*: trans, inter, lesbian,
feminist,
womit die irritierenden Frauen endlich ganz beseitigt wären.“
[Beißreflexe, Hrsg. L’Amour LaLove, 2017]
Sie verspottet außerdem die Selbst-Identifikationen von queeren
Menschen: „Neben die alten Selbstbezeichnungen von Homosexuellen als
Schwule und Lesben und die – zumindest begrifflich – ebenfalls
etablierten
Bisexuellen treten die Geschlechtsidentifizierungen trans*, inter und
agender,
neuere Selbstbeschreibungen wie pan- und asexuell sowie Spielarten und
Selbstinszenierungen wie questioning, poly, butch und femme, dominant
und
submissiv.“ [Beißreflexe, Hrsg. L’Amour LaLove, 2017] Nebenbei bemerkt
ist dieser Abschnitt auch ahistorisch, da die Bezeichnungen Butch und
Femme keinesfalls neu sind – vgl. zum Beispiel der queere Klassiker
Stone Butch Blues, ein Buch, welches in den bereits in den 1960ern
existierenden Butch-Femme-Subkulturen spielt.
In ihrem Text „Das Ende des Frauseins“, der in der Emma (einer
Zeitschrift, die immer wieder mit Rassismus und Cissexismus glänzt)
macht sie außerdem sehr deutlich, dass sie die Identität „Frau“ als
etwas Angeborenes sieht und nichtbinäre Selbstbezeichnungen nur als
fehlender Wille, das eigene „Frausein“ zu akzeptieren, betrachtet. Im
selben Text spricht sie dem Queerfeminismus auch immer wieder jegliches
Interesse an der Realität ab und stellt es so dar, als würden
Queerfeminist*innen das Patriarchat gar nicht (mehr) kritisieren.
Der Begriff „Identitätspolitik“, den Linkerhand immer wieder verwendet,
stammt eigentlich vom Combahee River Collective, einem Zusammenschluss
von (lesbischen) Schwarzen Frauen. In dieser Form meinte der Begriff,
dass marginalisierte Personen, (bezogen besonders auf Schwarze Frauen)
aus ihren eigenen Erfahrungen heraus argumentierten und so den besten
Blick auf die Unterdrückung von Schwarzen Personen, Frauen und queeren
Personen haben, weshalb sie die Unterdrückung auch am besten Verstehen
können und wissen, was sich ändern muss. Auf der Website des CRC wird es
folgendermaßen ausgedrückt: „This focusing upon our own oppression is
embodied in the concept of identity politics. We believe that the most
profound and potentially most radical politics come directly out of our
own identity, as opposed to working to end somebody else’s oppression.“
(https://combaheerivercollective.weebly.com/the-combahee-river-collective-statement.html)
Der Begriff wurde jedoch aus diesem Kontext komplett entrissen und ist
zu einem Kampfbegriff geworden, den Rechte benutzen, um marginalisierte
Menschen zu diskreditieren. Linkerhand benutzt den Begriff also nicht
nur falsch, sondern leiht sich auch rechte Rhetorik – die Ironie daran,
dass das auf einem Festival /gegen/ Rechts passiert, ist offensichtlich.
Die Tatsache ist also die: eine Radikalfeministin, die queere
Selbstbezeichnungen für lächerlich hält und sich an rechter Rhetorik
bedient, darf einen Vortrag halten, es gibt aber keine Veranstaltung
über Queerness oder Feminismus, die von einer trans, inter oder
nichtbinären Person gehalten wird. Dies ist keine Voraussetzung dafür,
dass die Diskussion über das feministische Wir auf einer Ebene
stattfinden wird.
Solidarische Grüße,
MeeTIN* Up
(ab hier nicht in der orginal nachricht an das ndrs)
PS: Übrigens dürfte auch die offen transfeindliche Naida Pintul („Anti
transgender ideology“) einen Beitrag in Koschkas Buch schreiben. Die
TERF (trans* ausschließende radikale Feministin) Naida Pintul verwendet
Begriffe und Konzepte der Neuen Rechten.
https://www.asta.uni-hamburg.de/0-kontakt/01-asta-news/2019-12-05-antidis-stellung.html
(Auch die Empfehlungen und Bilder nach dem Artikel sind lohnenwert)