Antwort auf den offenen Brief

Hey ihr,
ihr habt vielleicht von dem offenen Brief von „Lila – FLINTA* United Kassel“ mitbekommen. Wir möchten Umgang miteinander und Diskriminierungen ungerne über Statements bearbeiten. Offene Briefe sind ein wichtiges Werkzeug für uns, wenn es darum geht, dass machtvollere/privilegiertere Strukturen kritisiert werden sollen, nicht aber wenn es um mehrfachmarginalisiertere Positionen geht. Er ist für uns nicht der Weg, um für Verantwortungsübernahme zu sorgen (1).
Deshalb haben wir erst persönlich und per Mail versucht in Kontakt zu treten. Weil es aber nicht möglich ist, das „queere, linke Kollektiv“ direkt zu kontaktieren, müssen wir auf diesen Weg zurückgreifen. Denn gleichzeitig sind in dem offenen Brief einige Anschuldigungen, die wir nicht einfach stehen lassen möchten. Teilweise ist uns nicht klar, was Anschuldigungen und was grundsätzliche Aussagen/transmisogyne Statements sind. Es ist schwer etwas aufzuarbeiten, wenn keine konkreten Situationen genannt oder mit den jeweiligen Menschen besprochen werden. Wie auch schon die qrew geschrieben hat, können die Anschuldigungen nicht ohne den Kontext jahrelang anhaltender sexarbeitsfeindlicher und transmisogyner Auseinandersetzung und einer Dominanzkultur, die in die linke Szene reicht und (cis)sexistisch ist, gesehen werden.

Eine einfache Verursacher*innen – Betroffenen Darstellung greift daher zu kurz. Wir mussten/müssen uns den Raum erkämpfen, den wir haben, und haben dabei auch Menschen in unserer Nähe verletzt, die nicht das Problem waren, jedoch in der Nähe waren. Trans* weibliche Perspektiven werden in Kassel immer noch massiv marginalisiert. Besonders zeigt sich dies, wenn es um trans* weibliche Wut geht. Cis Frauen haben kaum Raum, ihre Wut zu zeigen und trans* Frauen noch weniger.
Das zeigt sich auch im offenen Brief, zum Beispiel in dem Bereich „Autoritäres Verhalten
und Dominanzstrategien“. Durch diesen Umgang werden wir in gute und schlechte trans* femmes aufgeteilt. Dieser sexistische Mechanismus betrifft besonders trans* femmes, wenn sie ihre Perspektive stark machen.
Wir sollten uns fragen: „Sind in meinem Beziehungsumfeld, Wohnumfeld, Arbeitsumfeld,
politischen Umfeld trans* femmes?“ Bei Transmisogynie geht es nicht nur darum wie sich
Menschen verhalten. Es geht auch darum wer beschützt wird und wer bestraft wird.
Wir sind enttäuscht, dass anhaltend über uns und nicht mit uns geredet wird. Vor dem öffentlichen Brief, der für uns eskalierend wirkt, hätte queeres Umfeld, wie die qrew, das Autonome Queer* Referat oder das Queere Zentrum kontaktiert werden können.

An dieser Stelle möchte sich ein Mensch für ein Verhalten entschuldigen, welches an uns
herangetragen wurde: Ein Mensch aus unserer Gruppe hat vor einer Weile eine vermutlich trans* femme Person öffentlich misgendert. Das tut der Person aufrichtig leid. Die Person versteht, warum es für mensch dazu gekommen ist, weil mensch getriggert war, was aber keinesfalls eine Entschuldigung für das Verhalten ist. Für die Person hilft dieses Wissen aber mit Situationen wie dieser in Zukunft anders umzugehen.

Was wir deutlich machen wollen: Wir nehmen Anschuldigungen zu sexualisierten Grenzüberschreitungen ernst. Wir möchten Personen ermutigen, die negative Erfahrungen mit uns oder Teilen von uns erlebt haben, uns (wenn möglich) oder eine Hilfestelle anzusprechen. Es besteht weiterhin auch die
Möglichkeit, zum Austauschtreffen mit der qrew zu gehen (siehe deren Nachricht).

Ihr könnt uns gerne kontaktieren. Wir haben eine Emailadresse, ein Bluesky und ein Insta Account (die jeweils von unterschiedlichen Menschen betreut werden). Wenn ihr Menschen von uns persönlich kennt, könnt ihr die auch direkt ansprechen.Wir möchten zu einer fehlerfreundlichen Lernkultur in der feministischen Szene beitragen.
Kontaktmöglichkeiten:
Email: meetinup@riseup.net
Insta: meetin_up_kassel
Bluesky: meetinup.bsky.social

Wir würden gerne noch Bücher und Material empfehlen, um die zugrundeliegenden
Machtverhältnisse besser einordnen zu können:
Faulenza: Support your sisters not your cisters.
B. Binaohan: decolonize trans/gender 101
Emilia Roig: Why we matter. Das Ende der Unterdrückung
Audre Lorde: Sister Outsider

(1) „We can tear down this system without destroying each other. […] I´ve learned that
accountability isn´t something anyone can hold another to, it is something we can help each other
be, within boundaries that keep us secure. Accountability isn´t punishment, though it is frequently
wielded as such.“ -malkia devich cyril