Transmisogynie/Cissexismus

Meine Positionierung: weiß, trans-weiblich und akademisch/langzeitarbeitslos

Ich schreibe diesen Text zu Transmisogynie/Cissexismus um mehr Verständnis zu schaffen. Ich versuche, ihn möglichst leicht zu halten. Es ist schwierig, da Geschlechter und Erfahrungen vielfältig, komplex und individuell verschieden sind. Es ist schwierig, da wir die Wörter und Konzepte weder in der Schule noch im Alltag lernen. Es ist schwierig, da viele Gespräche von TERFs (Trans-Exclusionary Radical Feminism, trans* ausschließende Feminist*innen) und Abwehrkämpfen handeln und uns dadurch der kleine Raum in weißen cis feministischen Räumen noch kleiner gemacht wird. So viel Energie geht in diesen Orten unter, das hält uns auf.

Bad Girls haten nicht sondern supporten other Girls
Nur zusammen sind wir stark und sagen
„WHO RUN THE WORLD“

Uns fehlen die Sprache, die Konzepte und die Worte. Es ist schwer binäre Logik zu durchbrechen, wenn sie jeden Tag und auch in feministischen Gesprächen auf uns abgebildet wird.

I DONT BELIEVE IN UR EQUALITY
WE ARE NOT THE SAME

https://finstapurrs.bandcamp.com/track/white-feminists (Lied auf youtube nicht mehr öffentlich)

Der Begriff „Weiße Feministin“ beschreibt verschiedene Überzeugen und Verhaltensweisen, die sich im westlichen Feminismus eingebürgert haben, und nicht die Hautfarbe seiner Anhänger*innen. Gleichzeitig sind die meisten weißen Feminist*innen tätsächlich weiß. [1]

Allgemeines zu Transmisogynie

Der Begriff Transmisogynie wurde 2007 von Julia Serano entwickelt. [2] Transmisogynie ist die Abwertung von trans* sein und Weiblichkeit. Ich finde es zu vereinfacht gesagt, dass es die Abwertung von trans* Frauen ist. Es ist auch eine situationsabhängige Sache, wobei manche Menschen öfters in solche Situationen geraten bzw. direkte Gewalt erfahren. Die Begriff dafür sind TME (transmisogyny exempt/ausgenommen, das heißt in der Situation erlebe ich keine Transmisogynie) und TMA (transmisogyny affected/betroffen, das heißt, ich erlebe in der Situation Transmisogynie).

Einige Gedanken dazu:

*Jeder Mensch, der nicht cis hetero männlich ist kann in verschiedenen Maßen bzw. Kontexten von Transmisogynie betroffen sein. Auch geschlechtlich nicht-konforme (gnk) cis Frauen.  Abhängig davon wie queer ein cis Mann ist und dieser sich verhält kann dieser auch situativ von Transmisogynie betroffen sein.

*Trans männliche Person, die abgewertet wird, weil sie als zu weiblich wahrgenommen wird.

* Gnk cis Frauen, die abgewertet wird, weil sie für eine trans Frau gehalten wird.

*Es könnte ein Punkt sein warum nicht-binäre Menschen, denen bei Geburt das Geschlecht Junge zugewiesen wurde, es schwerer gemacht wird, in ihrem Geschlecht zu leben.

Koloniale Ebene von Transmisogynie

Wichtig ist auch die koloniale Ebene, die  immer noch andauert.

„Und so begann vor rund 500 Jahren die cis Fixierung auf die Fixierung von trans Frauen und/oder trans weibliche Menschen. Zu diesem Zeitpunkt, und da bin ich [b. binaohan] mir sicher, ist das der Anfang von Transmisogynie und der Binarität der Geschlechter. Beides sind Werkzeuge von Kolonialismus, von Genoziden, von Siedlungspolitik und den Imperien.“ [3]

„Wichtig ist, sich daran zu erinnern, dass es die Geburt der Institutionen ist, errichtet um Menschen zu unterdrücken. Und manche über andere zu bevorzugen. Hier wird nicht über die Entstehung der Konzepte selbst geredet.“ [3] Denn dies könnte zu einer Romantisierung der Vergangenheit führen.

Den folgenden Absatz sehe ich leicht unterschiedlich, aber kann die Autorin nachvollziehen wenn ich ihre Perspektive und Positionierung als trans* weibliche PoC sehe.

„Diese Geschichte der Transmisogynie macht es ziemlich deutlich, warum es keine „Transphobie“ gibt, sondern nur Transmisogynie. Es gab und gibt auch eine Auslöschung der Geschichte von trans* männlichen und trans* Männern. Und während das, natürlich tragisch ist, ist die Eifersucht und Kleinlichkeit von trans* Männern auf die Hypersichtbarkeit, die aus dem weißen (und bald auch cis) Blick auf unsere Körper resultiert, auch transmisogyn.“ [3]

Es wird auch gesagt, dass alle weißen Menschen von der Binarität profitieren, insoweit wie sie von Kolonialismus profitieren (s.o. Werkzeuge von Kolonialismus). Uncool ist auch, wenn weiße trans* Frauen sich so verhalten, als ob ihre Erfahrungen gleichwertig mit denen einer Schwarzen oder PoC trans Frau wären. Trotz der Menge an Beweisen, dass weiße trans* Frauen nicht die gewalttätigste und schädlichste Form von Transmisogynie erfahren.  Bei Migration kommt das transmisogynien Einwanderungssystem und die Behören dazu.

i am ready to yell right in your face
i’m so done biting my tongue polite just keeps you safe
and it’s either anger or you keep getting away
and it’s either anger or you keep getting away

Intersektionen mit Transmisogynie

Ergänzen möchte ich die Begriffe misogynoir von Moya Bailey aus dem Jahr 2010. Da geht es um anti-Schwarze Misogynie. Erweitert um den trans* Aspekt wurde der Begriff von Trudy als „transmisogynoir“

Trans* Frauen haben so wenige Räume, wenn eins bedenkt, wie wir systematisch aus den Räumen raus gedrängt oder ausgeschlossen werden. Ich wage sogar zu behaupten, dass die meisten „Räume“ die wir haben nur konzeptionell sind.

der Hashtag #girlslikeus wurde 2012 von Jane Mock gestartet. Es ging darum die Perspektive von trans* Frauen of Colour sichtbar zu machen. Das folgende Lied wird von einer Schwarzen cis Frau gesungen.

It’s hard for girls like us
We don’t know who we trust
Not even the ones we love
Cause they don’t know

Alternative Geschlechtsmodelle

Der Vorteil von den Begriffen cis/trans ist, dass sie das Unbenannte bennen. Jedoch wirken die Übergänge nicht fließend und es ist wieder eine Zweiteilung. Außerdem ist es für die westliche cishetallo Welt gemacht. Aus der Ballroom-Szene, eine Community von Schwarzen und Latino Queers gibt es das Konzept der femme queens und butch queens (feminine und maskuline Queens)

„Was den Teil „Queen“ in beiden Begriffen angeht? Das ist die Verbindung zwischen uns. Die Einheit. Weil wir eine Familie sind. Wir sind Queens.“ – Bowles [4]

Es wirft auch die Frage auf, für wen die Unterscheidung in sexuelle Orientierung und Geschlecht wesentlich ist. Es gibt Konzepte wie z.B. bakla die ein Kontinuum aus verschiedenen Geschlechtern, Sexualitäten und Geschlechtsausdrücken in einem Wort ausdrücken.

Wann beteiligen wir uns an herrschenden Diskursen und wann/wie stellen wir ihnen etwas entgegen? Welche Diskurse nehmen queeren bzw. trans* Menschen den Raum sich auszudrücken und drängen sie aus Bewegungen raus so wie es cis-weiße schwule und lesbische Menschen nach den Stonewall Aufständen gemacht haben. Wann und warum werden die Stimmen von trans* weiblichen BIPOC nicht mehr gehört? [5]

They know my girls we sparkle
We keep it hot like charcoal […]

You won’t take my Pride
No, no, no, no, no

Cissexismus

Spannend ist auch den Blick umzudrehen und die Transmisogynie als Cissexismus zu betrachten die sie ist.

„Cissexismus ist im Prinzip ein anderer Begriff für Transfeindlichkeit. Das wichtige hierbei ist, dass dieser die Bedingungen verändert. Er zeigt nicht wo die Diskriminierung hingeht, sondern wo sie herkommt. Aus Cisnormativität, der festen Vorstellung, dass alle Menschen eigentlich cisgeschlechtlich wären und Transgeschlechtlichkeit nur eine Abweichung vom ‚Normalzustand’ sei. Dieser Begriff gibt die Möglichkeit, die Verantwortung korrekt zu zeigen. Marginalisierte werden hierdurch aus der Verantwortung für erlebte Gewalt genommen. Ähnlich wie mit den Begriffen Heteronormativität und Homofeindlichkeit.” [6]

„Cissexismus kommt von sozialen Gebilden und Strukturen, wie die Kernfamilie, den medizinisch Komplex, und der Kirche. Diese Institutionen bestätigen mit Cissexismus eine sehr starre, binäre, und biologisches reduzierendes Verständnis von Geschlecht. Ihr Zweck ist die Kontolle unserer Beziehungen und Verhaltens durch legale und weitere Mittel (einschließlich Gewalt) um unsere Arbeitsbereiche auf eine Art zu teilen, der dem Kapitalismus/Kolonialismus und Versklavung dient. [7]

So reach inside your soul for the shit that make you different
That’s that shit ya hold onto the times they just won’t listen
You the one who’s seeing clear, they afraid when you don’t fear
So live your life you got the right all that old shit is in the rear
You Queer POC, you part of ancient herstory
Within you lies the hope of the whole society
You got to fight for your joy, you got to light up that room
Breathe and laugh and have a blast no matter what you goin thru

Betroffenheit

Es ist keine „betroffenen Position“ (was für nen scheiß Vorwurf von terfs), wenn wir unsere Position erkennen, können wir uns vernetzen, uns wehren und die Solidarität einfordern (die es kaum gibt von cissen). Der Vorwurf macht die strukturellen Mechanismen und die Gewalt unsichtbar und behauptet wir würden uns nur als betroffen inszenieren.  Vor allem für trans* Frauen benutzen Terfs den Vorwurf, während sie es bei ihrem cis Frauen nicht nennen. Weißer Feminismus ist Gewalt.

Ich war Teil von einer coolen Gruppe, aus queeren Gangstern die sich wehren.

*Faulenzas Buch: Support your sisters, not your cisters ist auch sehr zu empfehlen. [8] In nicht so schwieriger Sprache geschrieben.

Fazit

Nicht über uns, ohne uns. Wir verdienen ein glückliches Leben. Ihr haltet uns nicht zurück.

Unsere Existenz ist unser Widerstand. Support your sisters, not your cisters.

Schau dich doch mal in deinem Freund*innen, Wohn und/oder Politumfeld um. Welche Menschen können da sein und welche werden ausgeschlossen?

die wächter können hart sein und sind in der überzahl
und selbst im tollsten freiraum bleiben ketten aus stahl
sag bloß nicht, wer du bist, denn sie wissen es besser
sie wissen alles über dich, ihr verstand ein krummes messer

[…]

ändern. reflexion. revolution.
keinen eigenen gedanken verschonen.
den wachmann in sich selber ersticken.
und niemals mehr auf das was war zurückblicken.

das wäre ein anfang.

https://bonbonlegerin.bandcamp.com/track/ein-anfang-tw-trans-feindlichkeit

 

Quellen

[1] Against white feminism – Rafia Zakaria

[2] https://www.juliaserano.com/sexedup.html

[3] https://publishbiyuti.org/decolonizingtransgender101/

[4]https://slate.com/human-interest/2016/08/ballroom-cultures-gender-model-offers-rich-alternative-to-cis-trans-division.html

[5] https://untorellipress.noblogs.org/post/2013/03/12/street-transvestite-action-revolutionaries-survival-revolt-and-queer-antagonist-struggle/

[6]https://editionf.com/felicia-ewert-trans-frau-sein-interview/

[7]https://redvoice.news/femme-queen-warrior-queen-beyond-representation-toward-self-determination/

[8] https://www.edition-assemblage.de/buecher/support-your-sisters-not-your-cisters/

Alle Übersetzungen habe ich selbst übersetzt.